Lieber Heinrich,
das Leben ist nicht gerecht, auch nicht zu denjenigen, die es über alle Maßen verdient hätten. Von deiner Sorte gibt es so so wenige. Wie unendlich schade, dass du deinen Lieben und der Welt, so pathetisch das auch klingt, nicht noch viel länger erhalten geblieben bist.
Gestern kam die Nachricht von deinem Tod, mitten an einem übervollen Tag. Heute hat sie sich gesetzt und ich bin selbst verwundert, wie traurig sie mich macht. Gerne würde ich dir am Montag die letzte Ehre erweisen, aber dann würde ich in Tränen ausbrechen. Das wäre mir zutiefst peinlich, denn es steht mir überhaupt nicht zu. Ich kann nur erahnen, wie sehr deine Familie und engsten Freunde dich schon jetzt vermissen. Schön, dass es an dieser Stelle die Möglichkeit gibt, dir Tschüss zu sagen.
Du warst mein Lehrer, eigentlich nur für kurze Zeit und „nur“ in Politik. Aber genau das ist ja der Punkt. In deinen vielen Berufsjahren musst du unzählige Schüler gehabt haben, doch jeder von ihnen schien dich zu interessieren. Die schulische Leistung war Nebensache. Du interessiertest dich ehrlich und wahrhaftig für den Menschen, egal ob jung oder alt, dick oder dünn, welcher Nationalität auch immer. So etwas nennt man wohl einen Menschenfreund.
Deine Festplatte war schier unerschöpflich in Bezug auf persönliche Details: Wer war mit wem zusammen? Was hat er studiert? Wohin hat es ihn verschlagen? Hat er Familie? Als wolltest du sicherstellen, dass es deinen Schülern auch nach deren Schulabschluss gut ging. Mir wolltest du damals Ende der 80er zu einem Stipendium bei einer katholischen Stiftung verhelfen. Du kanntest meinen sozialen Hintergrund und hattest wohl befürchtet, ich könnte mich gegen ein Studium entscheiden. Das Stipendium wollte ich nicht, studiert habe ich trotzdem.
Gesehen haben wir uns dann 10 Jahre lang gar nicht. Nach meiner Rückkehr nach Kamen vielleicht zweimal pro Jahr. Die kanntest die Namen meiner Töchter. Dann sahst du mich im Schwimmbad mit dickem Bauch. „Schon wieder ein Kind? Weißt du, was es wird? Ach, dieses Mal ein Junge? Und wie soll er heißen?“ Als du Theo hörtest, brachst du in großes Gelächter aus. Jedes Mal, wenn wir uns danach begegneten, fragtest du als erstes, wie es Theo geht.
Die wenigen Begegnungen mit dir werden mir fehlen. Deine so positive, lebensbejahende Art. Dein bewundernswerter Einsatz für die gerechte Sache. Du warst kein Ideologe, sondern einer, der durch seine Taten, wie selbstverständlich, so viele positive Akzente gesetzt hat. All diese kleinen Gesten und Aktionen haben sich am Ende zu etwas ganz Großem summiert.
Take care!